DIE BESIEDLUNG DES GEMEINDEGEBIETES

Prähistorische Spuren im oberen Murtal

Die Geschichte unserer Marktgemeinde ist die Geschichte von Menschen im Laufe von Jahrtausenden. Diese Menschen haben hier gelebt, haben die Landschaft, die Lebensformen, die Mentalität und die Gefühlsleben gestaltet und geprägt. Von ihnen wurde die Kulturlandschaft gestaltet, in positiver und negativer Hinsicht. Deshalb beginnt die Geschichte des Lebensraumes mit den ersten Spuren menschlichen Lebens im Katschtal, Spuren, die weitgehend verwischt sind und nur in einigen wenigen Abdrücken fassbar werden.

 

Der Name „St. Peter am Kammersberg“ und seine Geschichte

Der heutige Pfarr- und Marktort hat seinen Namen vom hl. Petrus erhalten, dem die Kirche geweiht ist. Ob und welchen älteren Siedlungsnamen dieser Patroziniumsname verdrängt hat, das wissen wir nicht. In den überwiegend in lateinischer Sprache geschriebenen Urkunden des 13. Jahrhunderts wird der Ort einfach als „sanctus Petrus“ genannt und vor allem dann kein weiterer Zusatz verwendet, wenn er in Zusammenhang mit der Hofmark Wölz bzw. Oberwölz erwähnt wird. Der erste urkundliche Nachweis für diesen Ortsnamen findet sich in einer um 1245 geschriebenen lateinischen Urkunde, in der der freisingische Amtmann Heinrich von St. Peter erwähnt wird: Hainricus officialis de sancto Petro (51).

Weil es in unserem Land mehrere Orte „St. Peter“ gibt, benötigte man dann aber doch einen Zusatz als Unterscheidungswort.

Als am 29. November 1257 Bischof Konrad von Freising in Bischoflack (Skofja Loka) in Krain weilte, stellte er dort eine Urkunde aus, mit der er seinen Notar Magister Heinrich dem Salzburger Erzbischof zur Bestellung als Pfarrer von St. Peter vorschlug (52). Die Kirche St. Peter wird darin als im Herrschaftsbereich der Freisinger Bischöfe gelegen bezeichnet.

 Ab der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts wird als nähere Bezeichnung für St. Peter meist der Zusatz „bei Wölz“ üblich, so in einer vermutlich im Jahr 1258 verfassten Urkunde, in der die Kirche St. Peter bei Wölz auf Freisinger Besitz genannt wird: ecclesia sancti Petri iuxta Weltz sita in fundo Frisingensis ecclesie. Auch im Jahr 1299 heißt der Ort in einer lateinischen Urkunde „St. Peter bei Wölz“ (53).

In der wichtigen Urkunde vom 29. Mai 1307, mit der dem Freisinger Bischof das Patronatsrecht an der Kirche St. Peter bestätigt wurde, wird der Ort als „St. Peter bei Wölz“ (ecclesia sancti Petri prope Welcz) bezeichnet (54). Auch noch in einer Urkunde des Jahres 1360 ist vom erbirdigen gotshaus zu sand Peter pey Welcz die Rede (55). Die nähere Bestimmung des Ortsnamens nach dem Kammersberg finden wir erstmals in einer Urkunde des Jahres 1413 in der ursprünglichen und richtigen Form als under dem Chamersperg (56).

Richtigerweise wurde der Ort bis in das 18. und 19. Jahrhundert herauf stets als „St. Peter unter dem Kammersberg“ bezeichnet, was auch der örtlichen Lage entspricht, denn St. Peter liegt nicht „am“, sondern wirklich „unter“ dem Kammersberg. Eine frühe Abweichung von dieser Bezeichnung finden wir in einer Urkunde des Jahres 1425, in der es sand Peter pey dem Chamersperg heißt (57).

Im 15. Jahrhundert bleibt der Name weitgehend unverändert: 1432 St. Peter under dem Chamersperg, in einer lateinischen Urkunde vom Jahr 1447 Sanctus Petrus infra montem Kamersperg (St. Peter am Kammersberg).

 Im Visitationsprotokoll des Salzburger Archikiakons aus der Zeit von 1523/1535 ist erstmals die heute übliche Bezeichnung „St. Peter am Kammersberg“ nachweisbar (58), doch blieb dies eine frühe Ausnahme, denn in den meisten Dokumenten der folgenden Zeit bis ins vorige Jahrhundert finden wir nach wie vor die ursprüngliche Form „unterm Kammersberg“. Auch im erzbischöflichen Visitationsprotokoll von 1544/1545 ist diese Namensform zu finden (59). Soweit die Geschichte der Entwicklung des Orts- und Pfarrnamens. Er ist vom Kirchenheiligen genommen und lässt die Frage offen, ob es vor der Errichtung der Kirche bereits eine Siedlung an dieser Stelle gegeben hat, wie diese geheißen hat un in welcher Form sich der Ort von seinen Anfängen an zum Dorf, zur Hofmark und zum Markt entwickelt hat. Dieser Frage soll im nächsten Abschnitt nachgegangen werden.

 

 St. Peter: Gutshofsiedlung – Dorf – Hofmark – Markt

Seit dem Spätmittelalter ist St. Peter der zentrale und wichtigste Ort des Katschtales. Dass dies ursprünglich nicht so war, das verrät uns bereits der Name „Althofen“, der vermutlich der älteste bairische Gutshof im Katschtal war. Daneben bestand sicher auch noch ein derartiger, allerdings etwas jüngerer Herren- oder Gutshof im heutigen Ort Katsch und in Baierdorf. Wie es um die Anfänge von St. Peter bestellt war, das gilt es noch zu klären.

Das ursprüngliche Zentrum des freisingischen Besitzes im Katschtal war ohne Zweifel der eigentliche Gutshof Katsch, nämlich Althofen mit der dem hl. Apostel Bartholomäus geweihten Kirche, bei der ursprünglich auch ein noch im Spätmittelalter verwendeter Friedhof bestanden hat, wie wir dem Namen „Freithofer“ für das neben der Kirche gelegene Gehöft entnehmen können. Von diesem Gutshof Katsch in Althofen aus wurde nicht nur die weitere siedlungsmäßige Erschließung des Katschtales geleitet, sondern auch die Verwaltung besorgt. Das blieb so, bis irgendwann im Laufe des 12. Jahrhunderts ein dem Stil der Zeit entsprechender neuer Verwaltungssitz mit der wehrhaften Burg Katsch erbaut wurde. Allerdings geriet diese Burg in den Lehensbesitz der Vögte über das freisingische Gut im Katschtal und entglitt damit immer mehr dem unmittelbaren Einflussbereich des Bischof von Freising. Als Lehen wurden zu dieser sich neu entwickelnden Burgherrschaft Katsch nicht nur die Höfe unterhalb der Burg, sondern auch das Dorf Althofen und mehrere in dessen Umgebung gelegene Bauerngüter gegeben.

Aus der Siedlungs- und Flurform von St. Peter sowie aus den für diesen Ort seit dem Jahr 1160 zur Verfügung stehenden schriftlichen Aufzeichnungen können wir ablesen, wie dies bereits weiter vorne erläutert wurde, dass am Anfang der Siedlungsgeschichte von St. Peter ein großer Gutshof mit einer dazugehörigen und dem Apostelfürsten Petrus geweihten Kirche gestanden ist. Die Errichtung dieses Hofes mit der Eigenkirche dürfen wir mindestens in das 10., eher jedoch noch in die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts zurückverlegen. Wir wissen aber auch, dass die meisten dieser großen Gutshöfe spätestens im 12. Jahrhundert aufgelassen, in zwei oder mehrere Teilhöfe zerschlagen und Bauern überlassen wurden.

St. Peter ist zwar nicht die älteste Ansiedlung im Katschtal, entwickelte sich jedoch, nachdem die Stammsiedlung Althofen an die Herrschaft Katsch überlassen worden war, vermutlich schon seit dem ausgehenden 12. und beginnenden 13. Jahrhundert zum neuen Zentralort des Katschtales und zum Sitz des Amtmannes und damit zum Mittelpunkt des freisingischen Besitzes in diesem Gebiet. Dass St. Peter bereits im Jahr 1160 Sitz des freisingischen Verwalters im Katschtal gewesen sein dürfte, darauf weist der Umstand hin, dass damals an dieser Stelle der Hof des „Schlüßlers“ stand. Dieser Schlüßler war ohne Zweifel der Vorgänger des späteren Amtmannes und Pflegers als Verwalter des freisingischen Gutes. Wir wissen aus der ältesten Geschichte der Stadt Graz, dass dort ebenfalls der Schlüßler als Verwalter der Einkünfte des Landesfürsten beispielsweise aus den ihm zinsbaren Weinbergen in der Umgebung der Stadt saß (60). Im Jahr 1160 wird aber außer dem Hof des Schlüßlers auch die Hube des Kämmerers ausdrücklich genannt (61). Allerdings können wir nicht erkennen, ob diese Hube des Kämmerers ebenfalls im heutigen St. Peter lag oder oben am Kammersberg; letzteres kommt mir wahrscheinlicher vor, weil dort der Name haften geblieben ist. Die Aufgabenverteilung zwischen diesen beiden freisingischen Verwaltungsleuten ist aus dieser Aufzeichnung allerdings nicht erkennbar. Später ist von diesen beiden Ämtern nicht mehr die Rede. Geblieben sind nur die Namen: Schlüsselhof in St. Peter und der Kammersberg. 

Dass die Bezeichnung „Schlüßler“ und „Kämmerer“ für ähnliche Funktionen verwendet wurde wie der hochmittelalterliche Amtmann (lat. officialis) als Verwalter der freisingischen Besitzungen im Katschtal, erhellt ziemlich eindeutig aus dem Urbar der Herrschaft Rothenfels vom Jahr 1305, in dem wir lesen, dass der „camerarius“ (Kämmerer) vom Amt St. Peter jährlich vier Mark (Silber) zu geben hatte, und diesen Dienst bezeichnete man als „Kammerschatz“. Außerdem musste der Kämmerer jedes Jahr zehne Pferde stellen sowie fünf Ellen Leinen und jedes dritte Jahr vier Ellen graues Leinen (62).

Nun schließt sich auch die Beweiskette vom Schlüßler zum Namen „Kammersberg“, den in der Frühzeit, womit die Zeit bis in das 12. und 13. Jahrhundert gemeint ist, war der Schlüßler der Inhaber des Kämmereramtes, der die Schlüssel für die herrschaftliche Kammer als Inbegriff des Besitzes und der Einkünfte verwahrte und damit Herrschaftsverwalter war. Damit ist auch für die Bedeutung des Namens Kammersberg eine Erklärung möglich. Damit aber kristallisiert sich immer deutlicher die Stellung von St. Peter als Vorort des Katschtales bereits im 12. Jahrhundert heraus.

Um 1245/1246 residierte hier nachweislich bereits der freisingische Amtmann, also der Herrschaftsverwalter, womit die zentrale Bedeutung dieser Siedlung erklärt ist, die durch die Teilung des einstigen Großhofes in drei oder vier kleinere Höfe entstanden ist und durch die Ansiedlung von Gewerbetreibenden, Handwerkern und Tagelöhnern allmählich zur größten Siedlung des Katschtales wurde.  

Ob dieser Ort St. Peter ursprünglich vor der Benennung nach dem Kirchenheiligen einen anderen Siedlungsnamen geführt hat und wie dieser geheißen haben mag, das wissen wir nicht. Der heutige Name "St. Peter" ist erstmals 1245/1246 nachweisbar und urkundlich belegt. Wir wissen allerdings, dass der Ort bzw. die Kirche viel älter ist und sicher schon im Jahr 1072, wenn nicht gar noch früher bestanden hat. Die Bedeutung des Ortes in seiner Entwicklung zum Zentralort des Katschtales wird auch im freisingischen Urbar von 1305 erkennbar, denn St. Peter war nicht nur Sitz des Amtmannes, sondern verwendet auch ein eigenes Getreidemaß, die mensura sancti Petri, das Maß von St. Peter, das sich offensichtlich von jenem in Wölz unterschied.

Fraglich und zumindest nicht nachweisbar ist allerdings das Marktrecht von St. Peter im Jahr 1305; einen direkten Hinweis darauf gibt es nicht, auch wenn es bereits ein Ort des lokalen Handels und Tauschverkehrs gewesen sein mag. Dass das „Dorf St. Peter“, wie es 1305 ausdrücklich genannt wurde, nicht als Bauernsiedlung gegründet, sondern durch Teilung des Stammhofes und Ansiedlung zahlreicher Kleinhäusler erst im Laufe des 12. und 13. Jahrhunderts entstanden ist, lässt sich auch an der Flurverteilung erkennen: Nur wenige St. Peterer verfügten damals über größeren unmittelbar zu ihrem Gehöft gehörigen Grundbesitz. Die meisten „aree“ (Hofstätten) besaßen keinen oder nur geringen mit ihrem Ansitz verbundenen alten Grundbesitz, was sich auch in der geringen Höhe ihres Grundzinses niederschlägt. Wohl aber gehörten zu den meisten dieser Dorfhofstätten zusätzliche, erst durch Aufteilung des einstigen Großhofgrundes ihnen überlassene Wiesen und Äcker, die noch im 15. und 16. Jahrhundert mit eigenem Grundzins zusätzlich zum Zins der Hofstätte in den Urbaren verzeichnet sind.

Im Jahr 1305 bestand das Dorf St. Peter aus ungefähr vierzig „behausten Gütern“, also Hofstätten mit einem Wohn- und meist auch einem mehr oder minder großen Wirtschaftsgebäude. In der Stadt Oberwölz dagegen zählte man damals an die 200 Hofstätten. Auch in der Gewerbestruktur hinkte St. Peter hinter Oberwölz nach, denn während wir in Oberwölz schon ein vielfältig ausgebildetes und differenziertes Handwerks- und Gewerbeleben finden, gab es in St. Peter nur die sechs notwendigsten Handwerksgruppen, wie wir sie auch an vielen Pfarrorten finden, ohne dass diese Markt- oder Stadtrechte gehabt hätten. Im Jahr 1305 sind in St. Peter nur Fleischer, Müller und Wirte mehr als einmal vertreten. Auffällig zahlreich sind die Wirte, was auf eine marktähnliche Funktion dieses mittlerweile unumstrittenen Pfarrortes und auf einen bedeutenden Einzugsbereich hindeutet (63).

Die geringe wirtschaftliche Größe der Hofstätten von St. Peter mit ihrer mäßigen Stammausstattung an Grund und Boden schlägt sich im Urbar von 1305 auch in den niederen Zinsen der Bewohner nieder; sie zahlten von ihren Hofstätten zwischen 2 und 34 Pfennige; nur die Gastwirte zinsten 60 Pfennige bis eine Mark (120 Pfennige). Der Getreidebau scheint überwiegend der Eigenversorgung gedient zu haben; nur Hafer scheint in größeren Mengen angebaut worden zu sein, denn die St. Peterer zinsten außer Geld mit einer Ausnahme (Weizen) nur Hafer, soweit sie überhaupt  Getreide zinsten. Dass auch die Viehzucht nur in geringem Umfang betrieben wurde und in vielen Fällen auf Kleinvieh beschränkt gewesen sein dürfte, können wir ebenfalls an den Zinsen ablesen: Als „Blutzins“ (geschlachtete Kleintiere oder Teile davon) wurden hier nur Hühner gezinst, nicht jedoch Schweine, Schafe und Lämmer. Auch Roboten oder „Tagdienste“ verzeichnet das Urbar für St. Peter keine. Selten kommt auch die „Weisot“, das einstige Ehrengeschenk für den Grundherrn oder seinen Verwalter, vor, und wenn, dann wurde Weizen gegeben. Wohl aber zinsten viele St. Peterer Heu, was auf intensiven Wiesenbau hinweist.

Im Urbar von 1305 ist für St. Peter noch die einstige Siedlungsstruktur in letzten Andeutungen erkennbar, denn neben den kleinen Hofstätten werden zwei mittlerweile allerdings aufgeteilte größere Anwesen verzeichnet: das Botenlehen und die Slüzzelhueb.  Letztere ist im ältesten Urbar von 1160 noch als Hof des Schlüßlers, als „curtis clavigeris“, eingetragen gewesen. Im Zuge der Auflösung dieses Stammhofes und Entwicklung zum Dorf von rund 40 Hofstätten wurde der Stammhof – oder waren es zwei – zerschlagen und auf mehrere Besitzer verteilt: Die Grundstücke des Botenlehens waren im Jahr 1305 an vier, jene der Schlüßlerhube auf sieben Dorfbewohner aufgeteilt. Den Namen der Schlüssel- bzw. Schlüßlerhube haben wir bereits gedeutet.

Die Inhaber des „Botenlehens“ bzw. der aufgeteilten Grundstücke könnten zu unbezahlten Botengängen im Dienste der Grundherrschaft verpflichtet gewesen sein, wenn wir nicht annehmen wollen, dass „Bote“ in dieser frühen Zeit eine höherwertige Stellung als herrschaftlicher Vollmachtinhaber, als Herrschaftsbote, besessen hat.

Der einstige Großhof von St. Peter ist noch im Urbar von 1305 zumindest im Namen vorhanden gewesen, denn bei der Beschreibung jener Liegenschaften in der „villa sancti Petri“ (im Dorf St. Peter), die durch die Zerteilung des einstigen Großhofes entstanden sind, ist auch noch ein Mann „Heinricus im Hof“ genannt, der allerdings nur ein Joch Grund besaß und davon fünf Pfennige zinste (64). Übrigens wird von allen aus der Schlüsselhube und dem Botenlehen abgetrennten Grundstücken gesagt, dass sie mit ihrem Dienst (Zins) dem Amtmann gehören, was als ein weiterer Hinweis zu werten ist, dass dieser Schlüsslerhof ursprünglich der Amtssitz des Schlüßlers bzw. Amtmannes der Herrschaft war. Alle diese Grundstücke des Boten- und Schlüßlerhofes werden als „predium“ bezeichnet; es ist derselbe Ausdruck, der in der Schenkungsurkunde von 1007 für den Königshof Katsch (Althofen) verwendet wird. Daraus können wir folgern, dass das lateinische Wort „predium“ die Bezeichnung für einen großen Herrenhof mit den dazugehörigen zinspflichtigen Bauernhuben war.

Noch auf eine Besonderheit ist im Urbar 1305 in Zusammenhang mit der Schlüsselhube anzumerken: Es ist nämlich festgehalten, dass alle jene Liegenschaftsinhaber, die einst zum Schlüsselhof gehört haben, dem Grundherrn in dessen Küche Holz, irdene Häfen und Hausrat abliefern sowie Hühner und Eier im „predium“ einsammeln müssen (65). Diese Verpflichtung stammt och aus jener Zeit, als der Herrenhof von St. Peter auch die Verpflichtung hatte, den Grundherrn und dessen Verwalter zu beherbergen und zu verköstigen, wenn er dorthin kam. Offensichtlich war „predium“ die Bezeichnung für das deutsche Wort „Hofmark“ als Mittelpunkt einer weitgehend geschlossenen grundherrschaftlichen Verwaltungseinheit. Das klingt auch in jener Textstelle an, in der es heißt, dass der Zehent vom predium St. Peter 20 Maß Roggen und 40 Maß Hafer ausmache; damit ist wohl nicht nur der Ort St. Peter, sondern die ganze Hofmark gemeint.

 

Rodungshuben, Schwaighöfe und Keuschen

Nachdem die guten Talböden und leichter zugänglichen, sonnseitigen Hänge bereits besiedelt waren, wurden in einem letzten Rodungsschub die Berghänge und Seitengräben bis weit hinauf gerodet und besiedelt. Dieses große Kolonisationswerk hat wohl auch im Katschtal bald nach dem Jahr 1000 eingesetzt und war um 1160 bereits weit gediehen, wie die Nennung der novalia, der Rodungshuben, im Freisinger Urbar aus diesem Jahr beweist. Träger dieser letzten Phase der siedlungsmäßigen Erschließung des Katschtales war ab dem Jahr 1007 der Bischof von Freising (nördlich von München in Bayern), der vom König das große Gut Katsch zwischen Feistritz und der Mündung des Katschbaches in die Mur und Rinegg erhalten hat. Die siedlungsmäßige Erschließung des Katschtales war im Jahr der Königsschenkung (1007) bereits voll im Gange und um die Mitte des 12. Jahrhunderts schon weit fortgeschritten.

Diese letzte Phase der Siedlung in unserer Heimat an den Berghängen und in Seitengräben vollzog sich überwiegend in Form von sogenannten Einödhöfen, die inmitten ihres arrondierten Grundbesitzes lagen, oder kleinen Gehöftegruppen von drei bis vier Bauerngütern. Das gilt auch für unser Gemeindegebiet. Die Wirtschaftseinheit dieser Bauerngüter war die „Hube“, womit ständig bewohnte und bewirtschaftete Gehöfte gemeint sind, die wesentlich kleiner als die alten Höfe waren und so groß angelegt wurden, dass sie eine Familie ernähren und die vorgeschriebenen Zinse und Steuern leisten konnten.

Gegen Ende dieser letzten Rodungs- und Siedlungsperiode, das ist vermutlich seit der Mitte des 12. Jahrhunderts, wurden die letzten für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung noch tauglichen Raumreserven ausgenutzt und ebenfalls mit Bauerngütern besetzt. Das geschah vielfach in der Art von sogenannten Schwaigen; im Gegensatz zu den heutigen Schwaighöfen als nur den Sommer über betriebene Almwirtschaften waren die mittelalterlichen Schwaigen das ganze Jahr hindurch besetzt und bewirtschaftet. Sie waren im Unterschied zu den sonst üblichen Bauerngütern mit Ackerbau und Viehzucht fast ausschließlich auf die Haltung von Milchvieh eingestellt. Ihr Haupterzeugnis war die Milch bzw. die daraus erzeugten Produkte wie Butter, Schmalz und Käse, wenn wir von den Rindern als Fleischlieferanten absehen. Getreide haben sie gar nicht oder nur wenig angebaut. Aufgrund dieser Wirtschaftsform wurden von diesen Gehöften auch keine Getreidezinse verlangt; vielmehr dienten sie ihr Haupterzeugnis, nämlich Käse. An diesem Käsedienst sind die Schwaigen auch dann zu erkennen, wenn sie nicht ausdrücklich als solche bezeichnet werden oder Namen wie Schwaiger oder Schaffer führen. Es gab nämlich Kuhschwaigen und Schafschwaigen (66). Im Freisinger Güterverzeichnis von 1160 sind auffälligerweise keine derartigen Schwaighöfe genannt; sie scheinen erstmals im Urbar von 1305 auf, dürften also erst nach 1160 errichtet worden sein. Sie lagen am oberen Rand der Dauersiedlungen, so vor allem in der Pöllau und unmittelbar unter dem Greim. Damit sind wir aber der Besiedlungsgeschichte des Katschtales schon weit vorausgeeilt. Es gilt jedoch noch einige wichtige Fragen aus der Frühgeschichte zu beantworten.

Neben den alten Bauernhuben und den größeren Höfen entstand seit dem 13. Jahrhundert eine dritte Schicht von Dorfbewohnern: die Keuschler oder Hofstätter. Tagelöhner und Handwerker errichteten sich kleine Wohnhäuser, zu denen nur wenig oder gar keine landwirtschaftliche Nutzfläche gehörten. Nachrichten über solche Keuschen oder Hofstätten gibt es seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in allen größeren Dörfern.

Die Besiedlung unserer Heimat erfolgte also systematisch unter der Leitung der Grundherren und auch in bestimmten Hof- und Siedlungstypen und stellt demnach eine Frühform der Raumplanung dar. Wo es das Gelände zuließ, wurden Dörfer angelegt, in den Seitengräben und auf den Berghängen dagegen die Einzelgehöfte oder Einödhöfe bevorzugt.

 

 Auszug aus der Chronik von Walter Brunner.
Die Chronik „Die Marktgemeinde stellt ihre Geschichte vor“ ist im Marktgemeindeamt erhältlich.